Die Beurlaubung von Theaterintendant Guy Montavon war nach Skandalen am Theater Erfurt längst überfällig.
Wir haben als Fraktion Mehrwertstadt unsere Sicht auf den Prozess um die Vorfälle am Theater Erfurt in den letzten Monate zusammengefasst dargestellt.
Ende Oktober / Anfang November 2023 – Erste Vorwürfe zu Übergriffen am Theater Erfurt werden durch Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann öffenlich gemacht
Gemeinsam mit den Fraktionen von CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir am 05. November 2023 ein Statement zu den Vorfällen am Theater verfasst. Hier solidarisierten wir uns mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt und von Machtmissbrauch. Die sensible Aufklärung derartiger Vorwürfe sollte für alle Beteiligten erste Priorität haben. Besorgt waren wir angesichts der erfolgten Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten und forderten den Einsatz einer unabhängigen Kanzlei zur weiteren Aufklärung in der Sache.
Die Kanzlei nahm im November 2023 ihre Arbeit auf. Die Fertigstellung des Berichts wurde für Ende Dezember angekündigt.
Anfang Januar 2024 – Inteviews für Deutschlandfunk Kultur | Oberbürgermeister Bausewein erhält den Bericht der Kanzlei am 04. Januar 2024
Bereits Anfang Januar erhielten wir eine Anfrage von Deutschlandfunk Kultur zum aktuellen Stand nach unserem Statement. Tina Morgenroth führte das Interview mit Blanka Weber.
„Der Eindruck entsteht: wer als Mitarbeiter:in der Stadtverwaltung den Mund aufmacht, und Kritik äußert ist, nicht erwünscht. Dieses Signal ist für die gesamte Stadtverwaltung fatal.“ fasste Tina Morgenroth unsere Stellung zum Vorgehen gegen die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt zusammen.
Bereits am 08. Januar 2024 hat unser Mitglied im Ausschuss für Bildung- und Kultur, Tina Morgenroth, dem Deutschlandfunk Kultur ein Interview zur Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann gegeben.
Das Interview mit Tina könnt ihr hier nachhören:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/erfurt-metoo-am-theater-dlf-kultur-b2b656c8-100.html
Der DLF hat weiterhin auch die Thüringer Gleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler, sowie Katrin Brüninghold – Gleichstellungsbeauftragte in Hattingen und BAG-Bundessprecherin – zur rechtlichen Einschätzung gefragt. Dieses Interview könnt ihr hier nachhören, und es hilft den rechtlichen Hintergrund besser einzuordnen:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/erfurt-und-die-folgen-welche-rechte-haben-gleichstellungsbeauftragte-dlf-kultur-54b87338-100.html
17. Januar 2024 der Werkausschuss zum Theater Erfurt tagt | der Bericht wird ab 18. Januar exklusiv für Stadträt:innen einsehbar
Steffen Präger, unser Vorsitzender im Ausschuss für Wirtschaft, Beteiligung und Digitalisierung sowie des zuständigen Werkausschuss für Theater, hat sich am 18. Januar im MDR Thüringen geäußert. Gegen das Theater Erfurt gibt es harte Vorwürfe. Im Raum stehen mutmaßliche Übergriffe und Machtmissbrauch. Steffen Präger mahnt, die Betroffenen nicht aus dem Auge zu verlieren. https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/audio-gutachten-theater-erfurt-steffen-praeger-100.html
Eine Übersicht zur aktuellen Lage um das, seit Donnerstag für Stadträt:innen mit Verschwiegenheitserklärung einsehbare, Gutachten, hat der MDR hier zusammen getragen. Auch hier betont Steffen Präger: „Bei allen Auseinandersetzungen, die wir gerade führen, dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen, dass es um potenzielle Opfer möglicher Übergriffe und von Machtmissbrauch geht.“
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/theater-gutachten-machtmissbrauch-rechtsverstoesse-kultur-news-100.html
Nachdem die Stadträt:innen ab 18. Januar 2024 Zugang zu den Unterlagen erhielten folgte die Einladung zu einem dringlichen Treffen an die Fraktionen im Erfurter Stadtrat für den 19. Januar 2024. Erste Stadträt:innen hatten zu diesem Zeitpunkt schon die Möglichkeit die Unterlagen zu lesen.
Am Freitag, dem 19.Januar 2024, wurde in einem vom Oberbürgermeister Andreas Bausewein dringlich einberufenen Treffen die Beurlaubung des Generalintendanten des Erfurter Theaters Guy Montavon und der zweiten Werksleitung, Angela Klepp-Pallas beschlossen. Ausgangspunkt war der am 04. Januar 2024 fertiggestellte und seither dem Oberbürgermeister vorliegende Bericht einer Berliner Kanzlei zu den „Missbrauchsvorwürfen am Theater“. Nach viel Druck ist seit 18. Januar 2024 dieser Bericht für die Stadträt:innen einsehbar und machte eine schnelle Diskussion mit den Fraktionsvertreter:innen erforderlich. Die Fraktionen wurden am Vortag über das Treffen informiert.
Der Bericht zu den Vorfällen am Theater Erfurt – Jana Rötsch hat ihn am 18. Januar eingesehen
Die Fraktion Mehrwertstadt Erfurt war mit Jana Rötsch als Vertreterin bei der Entscheidung am Freitag anwesend. Jana hätte sich ein viel früheres Handeln gewünscht: „Der Inhalt des Berichts benennt unheimlich viele Fälle und machte mich fassungslos. Daher möchte ich mich bei den Betroffenen bedanken, die den Mut gefunden habe, sich den Anwält:innen der Berliner Kanzlei anzuvertrauen und ihre Erlebnisse zu schildern. Diesen Mutigen und allen Betroffenen gilt unsere volle Solidarität.“
Unverständnis für unterschiedlichen Umgang mit Mitarbeiter:innen: Gleichstellungsbeauftragte fristlos entlassen ohne Bericht, Guy Montavon darf trotz Bericht noch mehr als zwei Wochen arbeiten bevor er beurlaubt wird
Viel schneller hingegen handelte Bausewein, als die Vorwürfe von Missbrauch am Theater öffentlich wurden. Vorangegangen war die öffentliche Kritik der damaligen Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann, die auf Missstände hinwies. Daraufhin wurde sie rasch suspendiert und fristlos gekündigt. Ein Verfahren am Arbeitsgericht Erfurt ist anhängig. Stadträtin Tina Morgenroth: „Von der Gleichstellungsbeauftragten, die Probleme benannte, konnte sich die Stadtverwaltung Erfurt verblüffend schnell trennen. Den Berichtsinhalt und die offensichtlichen Probleme und missbräuchlichen Strukturen zu kennen und vierzehn Tage zu verharren ist skandalös. Das sehe ich als schweren Fauxpas des Oberbürgermeisters in seiner Leitungsfunktion. Allein aus Schutz potentieller weiterer Betroffener ist die Beurlaubung und Prüfung weiterer Schritte geboten. Wie der Oberbürgermeister das Vertrauen der Mitarbeitenden – vor allem des Erfurter Theaters – wiedererlangen will, ist mir ein Rätsel. “
Die im Bericht beschriebenen Fälle sind zahlreich und erstrecken sich über einen erschreckend langen Zeitraum. Dass eine Stadtspitze davon nichts weiß, scheint unglaublich. Es ließe auf wenig Interesse an Prozessen im Theater Erfurt im Allgemeinen schließen oder legt das Decken von Tätern nahe. Tina Morgenroth, Mitglied im Kulturausschuss: „Wir könnten nur spekulieren über eventuelle Mitwisserschaft, daher können wir dazu nichts sagen. In den letzten Jahren war ein deutlicher Rückhalt der Stadtspitze gegenüber dem Generalintendanten zu beobachten. Nicht nur Bausewein zeigte sich als Unterstützer Montavons und setzte sich zuletzt enorm für dessen Vertragsverlängerung ein.“ Ein Handeln scheint an vielen Stellen nötig.
Forderungen von Mehrwertstadt nach Vorfällen am Theater Erfurt
Jana Rötsch fasst unsere Forderungen zusammen: „Die Fraktion Mehrwertstadt fordert die sofortige Offenlegung des Berichts. Es müssen schnelle Handlungsempfehlungen folgen, um missbräuchlichen Strukturen vorzubeugen und entgegenzuwirken. Oberste Priorität muss der Schutz von Betroffenen haben, dabei bleiben wir. Die Kündigung von Frau Witzmann könnte im Lichte der Erkenntnisse sicherlich noch einmal neu bewertet werden.“
Übersicht Chrononlogie Presseartikel seit Oktober
Eine Übersicht mit den von uns zum gesamten Vorgang dokumentierten Presseartikeln findet sich im Anschluss (ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Gerne nehmen wir weitere Artikel dazu auf – Infos per Mail an mehrwertstadt@erfurt.de):